Auf manchen Beleg muss man einfach warten ...

Nun, die Rohrpost gehört nicht zu meinem Spezialgebiet, das ich sammle. Das Zusammentragen von besseren Farbnuancen auf Ganzstücken aber schon. Am Liebsten möchte man diese in größeren Konvoluten finden, oder zumindest günstig erwerben. In den letzten beiden Jahren ist enorm viel Material aus Nachlässen auf den Markt gekommen und die Auktionshäuser haben immer wieder tolle Angebote, bei denen es sich lohnt hinzuschauen.

Rohrpostbrief mit MeF 56 c

So kam ich auch in den Besitz dieses Rohrpostbeleges. Der Rohrpost-Brief wurde innerhalb Berlin befördert, Aufgabestempel „BERLIN C. T2 (R9) 9 X 00“, mit Uhrzeitangabe 3.20 h N (Nachmittag) und ist adressiert „An den königlichen Hofgärtner Herrn Janke königliches Schloß Belevue N.W.“. Der Rohrpoststempel wurde vom Telegrafenamt 2 verwendet, dass sich im Berliner Börsengebäude befand. Rückseitig ist der Rohrpost-Ankunftstempel „BERLIN N.W. 52 -9.10.00“ mit Uhrzeitangebe 3.40 h N (Nachmittag). Die reine Laufzeit im Rohrpostnetz mit anfänglicher Behandlung der Abstempelung bis Ankunft dauerte nach den Stempeldaten gerade mal zwanzig Minuten. Die ankommenden Rohrpostbriefe wurden als dringlich behandelt und sofort per Postboten zugestellt, der zu damaliger Zeit ca. drei bis fünfmal am Tage, je nach Bezirk und anfallendem Postaufkommen, die Post zustellte. Leider haben wir keinen Absender auf dem Umschlag vermerkt, sodass wir nicht mehr darauf schließen können, wer dem königlichen Hofgärtner eine dringende Nachricht zukommen lies.
Interessant ist zudem, das als Briefumschlag ein Vordruck benutzt wurde, der normalerweise für die Post von königlichen Institutionen verwendet wurde. Da diese Institutionen Portofreiheit genossen, war auf den entsprechenden Sendungen "Königliche Angelegenheit", abgekürzt 'K.A', aufgedruckt. Zusätzlich muste noch ein ensprechendes Dienstsiegel angebracht werden. Dieser Brief ist frankiert und es befindet sich auch kein Dienstsiegel auf dem Umschlag. Auch wenn es die Adresse nicht vermuten läßt, scheint der Absender einen Briefumschlag aus seinem Büro zur privaten Korrespondenz verwendet zu haben.
Auf dem Beleg wurden als Beförderungsgebühr drei Marken der MiNr. 56 c, Farbnuance dunkelrosarot verklebt, die auch tatsächlich im Herbst 1900 ihr Hauptaufkommen hat. Einzelfrankaturen dieser Farbnuance kann man durchaus öfters erwerben oder auch in großen Beständen finden, aber die Mehrfachfrankaturen sind sehr viel seltener anzutreffen. Der Michel-Briefe Katalog 2012/13 bewertet eine Einzelfrankatur mit 130 € und eine Mehrfachfrankatur mit 250 € Katalogwert. Das sind bestenfalls Orientierungswerte für den Sammler.

Es stellt sich beim Kauf eines Beleges immer wieder die Frage: Was ist mir der Beleg persönlich wert? Auf einem Rohrpostbeleg ist mir eine Mehrfachfrankatur mit drei Stück dieser Farbnuance bisher noch nicht aufgefallen. Das mag damit zusammen hängen, dass ich den Markt speziell was Rohrpostbelege angeht auch nicht so genau beobachte, wie das die Rohrpostspezialisten tun. Die Marken auf dem Rohrpostbeleg haben ein paar Büge, eine Marke ist oben etwas über den Rand geklebt und die Zähnung hat dadurch ordentlich gelitten, trotzdem ist das ein sehr schönes Stück für meine Sammlung, das ich bei einer Auktion im Nachverkauf erwerben konnte.

Claudius Kroschel